Mit einer einseitigen und selektiven Qualitätsoffensive zurück zum dreigliedrigen Schulsystem

15.01.2022

Kurz vor der Wahl hat die CDU erklärt, mit einer „Qualitätsoffensive plus“ am Gymnasium wieder zurück zu G 9 zu wollen. Drei Dinge soll das bringen: mehr Qualität, mehr Profil, mehr Zeit. Herausforderungen wie Digitalisierung, Globalisierung, Mehrsprachigkeit und Nachhaltigkeit gibt Ministerpräsident Hans als Gründe für die angekündigte Rolle rückwärts der CDU an.

Merkwürdig. Denn mit ähnlichen Argumenten wurde damals G8 eingeführt. Der globalisierte Arbeitsmarkt brauche jüngere Arbeitskräfte, Wettbewerbsnachteile sollten vermieden werden. Lebenszeit solle straffer auf die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt hin nicht verschwendet werden im überflüssigen 9. gymnasialen Schuljahr. Von Digitalisierung war damals noch nicht so die Rede und Nachhaltigkeit muss ja nun überall mit rein ins kommunikative Paket.

Jetzt also wieder zurück. Im Fokus steht das Gymnasium, als ob über die zwischenzeitliche Etablierung des Zwei-Säulen-Modells durch die Jamaika-Koalition nicht neue Fakten geschaffen worden seien, als ob die Wiedereinführung von G9 an Gymnasien nicht entscheidende Auswirkungen auf die Gemeinschaftsschulen haben wird. Der SLLV nennt das „Herabstufung der Gemeinschaftsschulen“ und auch die GEW bezeichnet die Ankündigung als „unseriös“. Beide fürchten, dass die ja jetzt schon vorhandenen strukturellen und sonstigen Verschiedenheiten sich immer dramatischer zu realen Ungleichheiten auswachsen würden. Eine Befürchtung, die bunt.saar teilt.

Die Wiedereinführung von G9 an den Gymnasien mag dort Verbesserungen bringen: mehr Lehrer, mehr Unterricht in den Hauptfächern, den Sprachen und den naturwissenschaftlichen Fächern. Es geht der CDU um die bessere „Vorbereitung für das Studium“.

Für die Gemeinschaftsschule bleibt dann nur die „Vorbereitung zur Ausbildung“. Und das ist der Elefant im Zimmer. Da ist sie wieder: Die alte Dreiteilung des Schulsystems: das Gymnasium für die Guten, Schnellen und Studierfähigen. Die Gemeinschaftsschulen für die Auszubildenden und da ist ja auch noch das Förderschulwesen für die Anderen, für die, die vermeintlich in den ersten beiden Strängen nicht funktionieren können.

Als ob durch die Etablierung der Oberstufengymnasien an und für die Gemeinschaftsschulen nicht längst auch dort die Schüler*innen sich dem gleichen Abitur stellen müssten wie die Gymnasialen. Als ob also nicht auch die Gemeinschaftsschulen mehr Ressourcen in genau diesen Bereichen bräuchten, um Ihre Schüler*innen gut auf das Abitur vorzubereiten. Als ob die Bedingungen an den Gemeinschaftsschulen nicht härter und zehrender für Schüler*innen und Lehrer*innen sei, nicht zuletzt wegen der gesellschaftlichen Vielfalt, die sich an den Grundschulen und Gemeinschaftsschulen sehr viel deutlicher und fordernder stellt als an den Gymnasien, die immer noch stärker von den Kindern aus bildungsaffineren und aufstiegsbewussteren Mittelschichtsfamilien geprägt sind.

Wie Grüne die Wiedereinführung rechtfertigen können, nachdem ihr damaliger Minister Kessler ja gerade die Gemeinschaftsschulen hat aufwerten wollen, damit sie in der Konkurrenz um Schüler*innen gegen die Gymnasien bestehen konnten, erschließt sich nicht. Und Gleiches gilt auch für die SPD, die weiter entfernt scheint denn je von ihren bildungspolitischen Idealen der Vergangenheit.

bunt.saar würde eher Gymnasien und Gemeinschaftsschulen behutsam und beständig zusammenführen durch Verlängerung der gemeinsam in stabilen und gut versorgten Klassenverbänden bleibenden Schulzeit für Kinder. Ein erster Schritt könnte die Verlängerung der Grundschulzeit auf 6 Jahre sein, was in Berlin und Brandenburg normal ist. Das stärkt die demokratische Grundbildung aller Kinder, das unterließe die frühe Selektion nach sozialer Herkunft und würde die Bildungschancen gleichmäßiger verteilen. Das Gymnasium hätte dann immer noch seine Aufgabe danach als konzentrierte Vorbereitung auf ein Abitur, das sich nach der gemeinsam verbrachten Zeit (in Finnland sind das 9 Jahre) anschließen würde, ebenso wie Fachschulen und Ausbildungsgänge. Vorbild könnte das finnische Schulsystem sein, das gemeinhin als vorbildlich gelobt wird.

Mit der Wiedereinführung von G9 geht man den Weg zurück. An die wirklichen Probleme, die soziale Selektion durch Schule, die immer weniger auch durch das Gymnasium gewährleistete Studierfähigkeit vieler Abiturient*innen, die immer noch zu hohen Zahlen von Schulabbrechern, das Fehlen von zukünftigen Fachkräften in allen möglichen Wirtschaftsbereichen – da geht man nicht ran. Das aber ist eine der zentralen Aufgaben im Bildungsbereich für die nächsten Jahre.

Henry Selzer

Seit 20 Jahren Mitglied im Gemeinderat Weiskirchen, Mitgründer der GAL Merzig-Wadern, Vorstand der BürgerEnergieGenossenschaft Hochwald.

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